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Donnerstag, 11. September 2014

#6

Es ist immer so viel los hier, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Heute ist endlich Öl angekommen, das heißt, es ist endlich warm im Haus!
Gestern durfte ich mit ins Holy Trinity Youth Centre in West Belfast zu einem Treffen mit dem Leiter. Die bisherigen EVS Volunteers haben dort mit einer Mädchengruppe gearbeitet (das Ergebnis seht ihr hier) und wenn die Mädels weiterhin Teil der Gruppe sein wollen, werde ich zusammen mit einer anderen Ehrenamtlichen mit ihnen arbeiten. Der Leiter war ziemlich nett, nur leider ist er schwer zu verstehen, denn er spricht ziemlich schnell und eher undeutlich mit seinem Akzent. West Belfast ist eine eher katholische Gegend, ganz in der Nähe dieser weißen Buchstaben auf dem Hügel vom letzten Post. Die Buchstaben werden übrigens öfter geändert, FREE PALESTINE soll wohl auch schon zu lesen gewesen sein und angeblich haben ein paar Jugendliche das Ganze für ein paar Stunden zu VIVA LAS VEGAS geändert. Viele Menschen lernen hier als erste Sprache Irisch und erst als zweite Englisch. Straßen- und Türschilder sind teilweise auch auf irisch und an den Häusern hängen irische Flaggen, teilweise aber auch die Palästina Flagge. Die Menschen in den katholischen Gegenden sympathisieren oft eher mit Palästina, die in den protestantischen wiederum mit Israel, in protestantischen Gegenden sieht man also eher die israelische Flagge. Außerdem wurden in den 70er Jahren viele Männer, die eher für eine Reunion von Irland und Nordirland sind/waren, unschuldig eingesperrt. Wenn Kinder ohne ihren Vater aufwachsen oder erfahren, dass ihr Vater unschuldig im Gefängnis war, trägt das natürlich nicht unbedingt zu einer positiven Meinung bezüglich dem United Kingdom oder der Nordirischen Regierung bei. Der Konflikt ist also echt vielschichtig und es wird mich bestimmt noch viel Zeit kosten, ihn besser zu verstehen, weil es eigentlich auch nicht wirklich um die Religion geht, sondern viel mehr um Zugehörigkeit Nordirlands. Aber ich komme hier jeden Tag mit so vielen Leute zusammen, die mir darüber erzählen und so unterschiedliche Meinungen haben, es ist echt interessant.
Insgesamt kann man sagen:


West Belfast: hauptsächlich katholisch, teilweise protestantisch
East Belfast: hauptsächlich protestantisch, teilweise katholisch
North Belfast: katholisch und protestantisch, alles sehr eng beieinander, weswegen es während des Konflikts gerade dort zu Ausschreitungen kam
South Belfast: Mittelstand, Studenten, zunehmend Migranten


Auf dem Weg hin und zurück sind wir außerdem die Falls Road entlang gefahren, eine Straße voller Murals, es ähnelt beinahe der East Side Gallery in Berlin. Zwischen der Falls Road (katholisch) und der Shankill Road (protestantisch) bestehen auch große Zäune ("Peace Walls"), die diese Gegenden voneinander trennen und abends/nachts teilweise geschlossen werden, sodass man nur über Umwege in die andere Gegenden gelangt. Auf beiden Seiten gibt es z.B. ein leisure centre, in anderen Städten würde eins ausreichen, hier hat jede Community ein eigenes.

Gestern Nachmittag wurde ich dann spontan gefragt, ob ich nicht mit zum nordirischen Minister of Employment and Learning, Stephen Farry, kommen möchte. Natürlich wollte ich! Auf ging's also nach Stormont, wie das nordirische Parlamentsgebäude genannt wird, um dem Minister über das WIMPS Projekt von Public Achievement zu berichten.  Das Gebäude ist wirklich schön und sieht aus wie ein Palast, finde ich. Robert, ein Mitglied von WIMPS, der auch dabei war, hat mir dann alles erklärt, das ganze Gebäude ist z.B. komplett symmetrisch. Der Minister war auch sehr interessiert daran, was ich in Belfast mache und ich wurde nach Angela Merkel gefragt, nicht zum ersten Mal übrigens. (und alle sind immer ganz überrascht, wenn ich sage, dass ich nicht ihr größter Fan bin bzw. die CDU einfach nicht meine Partei ist.) Anschließend konnte ich sogar noch den Plenarsaal sehen. Eigentlich war die Besuchszeit schon vorbei, aber der Ausländerbonus bringt manchmal schon was. ;-) Man kann sich auch immer die Debatten ansehen, vielleicht mach ich das mal.

Heute war ich noch bei der Bank und die haben mir wiederum erzählt, dass ich in der Zentrale anrufen muss, damit ich ein Formular zugeschickt bekomme, was ich dann wieder über die Filiale zurückschicken muss. Ziemlich aufwendig.
Eigentlich hätte ich heute auch wieder ein Treffen mit der HAPANI Group gehabt, sie konnten aber nicht kommen. Meine Vorbereitungen für die Session kann ich aber fürs nächste Mal verwenden. Dafür hatte ich Zeit, mit Luis, dem letzten EVS Volunteer, in ein Café zu gehen. Er hat mir viel erklärt und mich dazu ermutigt, mit jeglicher Idee einfach zu jemandem aus der Organisation zu gehen. Als EVS Volunteer gilt man schließlich nicht als normale Arbeitskraft und soll sich selbst einbringen, je nach Interessen. Das macht es am Anfang natürlich schwierig, weil man ja ersteinmal seinen Platz selbst finden muss. Aber ich freue mich drauf und habe bereits den Kopf voller Ideen.

Ach übrigens: entgegen meiner Erwartungen hab ich bis jetzt super viel Glück mit dem Wetter, die Sonne scheint die ganze Zeit und Regen hatte ich bis jetzt nur letzten Freitag. Der September ist hier echt schön.

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